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AutorenbildChristian Noah

Die Unberechenbarkeit als Reiz der Naturfotografie

Sonntagabend, 25. Juni 2023, 18:30 Uhr. Es ist ein sonnig-warmer und nahezu windstiller Sommerabend. Ideales Wetter für Makroaufnahmen. Als Naturfotograf verspüre ich natürlich sofort den Reiz, den Lockrufen der Natur zu folgen.


Gedacht, getan und zum Telefon gegriffen. Ein befreundeter Naturfotograf kennt einen guten Standort für die hübsche Bienen-Ragwurz. Ohne Nachzudenken habe ich in der Erwartung perfekter Orchideenbilder im warmen Abendlicht sofort zugesagt. Die Vorfreude steigt.


Den Kamerarucksack schnell gepackt, den Autoschlüssel gegriffen und schon geht es los.


Erster Nackenschlag


Endlich am Zielort angekommen. Voller Euphorie die Autotür geöffnet, erfolgte eine persönliche Begrüßung durch Hundertschaften von hungrigen Mücken. Ist halt so, denke ich mir. Clever, wie ich bin, habe ich mir natürlich Mückenspray eingepackt. Hat ja schließlich schon 2012 im Store Mosse-Nationalpark in Schweden geholfen.

Die Erfahrung des Abends war: Was schon immer geholfen hat, hilft nicht an jenem Abend. Die Mücken haben offensichtlich grenzenlosen Hunger.


Ist halt so, denke ich mir wieder. Es summt, sticht und juckt, aber dafür kriege ich gleich perfekte Bilder von der Bienen-Ragwurz. Nach einem kurzen Fußmarsch erblicken wir die ersten Pflanzen.


Zweiter Nackenschlag


Ernüchterung stellt sich ein. Die Pflanzen sind größtenteils im Zuge der lange Trockenphase verdorrt. Von Mücken umgeben, wird der Standort nach der einen noch perfekten Pflanze abgesucht. "Da!", ruft mein Kumpel, "hier steht eine Schöne". Genau am Waldrand stehen die Beiden. Die Vorfreude steigt. Okay, denke ich mir. Da gehe ich schnell mal hin, auch wenn mir meine Erfahrung lehrt, dass am Waldrand nur noch mehr Mücken auf mein Blut lauern.

Bienen-Ragwurz von oben fotografiert

Sie war wirklich schön und ein lohnenswertes Fotomotiv. Das Problem nur: Ein Foto musste man sich für circa vier Mückenstiche erkaufen. Ich hätte ihr gerne mehr Zeit gewidmet, aber es ging schlicht nicht. Mit dem einen halbwegs brauchbaren Foto ging es schnell zur Insel der Rettung - dem Auto.


Im Auto wird sich beraten. "Was wollen wir nun machen?". Mein Kumpel hatte mir von blühenden Türkenbundlilien in der Nähe berichtet. Ich erinnerte mich daran und sage: "Lass uns doch da hinfahren".

Gesagt, getan und nach kurzer Autofahrt standen wir am Rande eines sonnendurchfluteten Waldrandes. Mein Kumpel berichtet mir von etwa 50 bis 100 Pflanzen, die in diesem Wald wachsen. Mein Herz schlägt schneller. Das goldene Abendlicht im Zusammenspiel mit der Erwartung blühender Türkenbundlilien entflammt meine zwischenzeitlich erloschene Euphorie erneut.


Dritter Nackenschlag

Im Wald angekommen sagt mein Kumpel: "Hier müssten sie stehen. Hier war letztes Jahr alles voll". Wir blicken uns um und sehen....richtig, genau nichts. Weit und breit keinen einzigen Türkenbund. Noch nicht einmal Fraßreste, was bei diesen Pflanzen so typisch ist.

Sichtlich geknickt gehen wir zum Auto zurück und fassen noch einmal Hoffnung. Wir könnten noch einen weiteren Standort anfahren und ablaufen. Da sollten sie schließlich blühen. Ganz sicher doch, denken wir uns. Ganz sicher nicht, ist das Ergebnis.


Vierter Nackenschlag - er blieb aus!


Nun gut, denken wir uns, dann wird es jetzt halt die ganz sichere Bank. Ein Blühstreifen zwischen Wald und Acker. Viele Blüten und in der Erwartung viele Insekten, die man im Abendlicht fotografieren könnte. Immer mit der leisen Hoffnung verbunden, dass man auch die eine oder andere seltenere Art entdeckt (Goldene Acht zum Beispiel). Es dürfte euch nicht überraschen, dass es keine Seltenheiten mehr zu sehen gab an diesem Tag. Wie passend. Unbeachtet dessen gab es ziemlich viele Insekten zu sehen. Auch schöne Lichtstimmungen konnten wir noch auf die Kamera bannen. So hat der Ausflug doch noch ein zufriedenstellendes Ende genommen.



Was ist die Lehre von der Geschicht?

Der Titel meines Textes sagt schon vieles aus: "Die Unberechenbarkeit als Reiz der Naturfotografie".

In und mit der Natur zu fotografieren, bedeutet unberechenbare Bedingungen, Überraschungen und auch Enttäuschungen. Man kann das Fotografieren noch so gut planen und vorbereiten. Eine gute Planung steigert lediglich die Chancen auf Erfolg, sichert ihn jedoch nicht zu. Die Natur ist schlicht kein eingerichtetes Studio, in dem man unter sterilen Bedingungen professionell fotografieren und das vorher festgelegte Ergebnis erzielen kann.


In der Natur zu fotografieren bedeutet daher auch, gegen Widerstände zu kämpfen, diese auch anzunehmen und für sich das Beste herauszuholen. Genau diese Unberechenbarkeit macht aber auch den großen Reiz der Naturfotografie aus. Man weiß nie zu hundertprozentiger Sicherheit, was einen erwartet. Mal kann man sich 6 Stunden draußen aufhalten und vergeblich auf interessante Begegnungen und Fotos lauern. Ein anderes Mal ist man nur 30 Minuten draußen und macht eine besondere Entdeckung, die lange in Erinnerung bleibt. Mal sind die Bedingungen durch Wetter oder Mücken so erschwert, dass man kaum fotografieren kann und am liebsten gleich zusammenpacken würde. Ein anderes Mal findet man wieder perfekte Bedingungen vor.


Wir sollten uns daher immer wieder vor Augen führen, was für ein abwechslungsreiches und interessantes Hobby wir Naturfotografen haben. Und man sollte sich von kleinen Misserfolgen nie entmutigen lassen. Sie gehören schlichtweg dazu. Natur ist Leben und das Leben ist nicht perfekt, sondern in erster Linie abwechslungsreich.


Schreibt gern auch mal eure Erfahrungen dazu in die Kommentare!

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