Tag 5 - 19.09.2023
Guten Morgen Island! Für den heutigen Tag war eigentlich Ausschlafen angesagt. Aber bereits um 06:00 Uhr früh rüttelte das Rollo lautstark am angeklappten Fenster und bewegte sich vor und zurück. Einmal leider zu weit vor. Mit einem lauten Krach wurde mein mühsam mit Fotoutensilien eingerichtetes Fensterbrett abgeräumt und ins Bett befördert. Wach war ich!
Es war leicht zu erkennen, es war Sturm da draußen. Starker Sturm. Orkan! So stark, dass selbst die Wasserfälle Richtung Himmel flossen. Dieser Orkan sollte der stete Begleiter unseres Tages werden.
An Tag 5 sollte es von unserer Unterkunft Dalshöfdi Guesthouse erstmals weiter in den Osten der Insel gehen. In den wilden Osten. Für den Tag gab es eine orangefarbene Wetterwarnung für eben jenen Bereich Islands. Aber wofür sind Wetterwarnungen schon da? Richtig, um sie zu ignorieren!
Kaum waren wir von unserer Hausstraße aus auf die Ringstraße gefahren, hielten wir auch schon an. Unser erster Tageshalt war der Lómagnúpur, von uns liebevoll aufgrund der Nähe zu unserer Unterkunft als Hausberg bezeichnet. Dieser 764 Meter hohe langgezogene Bergrücken macht schon wirklich was her, wie er einfach so majestätisch mitten in der Landschaft thront. In Google Maps wird der Haltepunkt an der Ringstraße als "Lómagnúpur Scenic Spot" benannt. Wie passend!
An diesem Tag brachte das Orkantief neben Windspitzen bis 130 km/h auch beeindruckende Wolkenformationen mit sich. Folglich waren nicht nur die Böen nach dem Aussteigen aus dem Auto im wahrsten Sinne des Wortes atem(be)raubend, sondern auch die Sonne-Wolken-Kontraste vor dieser imposanten Kulisse.
Nach dem ersten Fotohalt ging es nur ganz kurz weiter, bevor wir am Straßenrand gleich wieder hielten. Zu schön war einfach das Zusammenspiel aus Wetter und Landschaft. Die Ringstraße eignete sich als Blickführung fantastisch.
Doch nun genug der kurzen Zwischenhalte, schließlich wollten wir zu unserem nächsten Tagesziel. Den weitläufigen Gletscherzungen des Vatnajökull kamen wir immer näher.
Wir steuerten Campingplatz und Besucherzentrum Skaftafellsstofa am Fuße des Gletschers an. Interessante Informationen waren den Schautafeln zu entnehmen, die über die schier unfassbaren Maßstäbe des Gletschers aufklärten. Um nur mal zwei Fakten zu nennen: Bei dem Vatnajökull handelt es sich mit einer Fläche von 8.100 Quadratkilometern um den größten Gletscher Europas. Seine Eisschicht ist bis zu 1000 Meter dick. Wow!
Zum Gletscher wollten wir an diesem Tag aber nicht. Stattdessen gingen wir auf Wanderung zu zwei schönen Wasserfällen, dem Hunda- und Svartifoss. Den Hundafoss erreichten wir als erstes über den stetig ansteigenden Wanderweg. Der Wasserfall lag schön eingebettet in herbstlich bunter Vegetation. Von einer Aussichtsplattform hat man dort einen wirklich hübschen Blick auf den Wasserfall und das tiefer gelegene Tal.
Neben dem Wasserfall fielen unsere Augen auch auf die beeindruckenden Wolkenformationen, die auf die extremen Höhenwinde aufmerksam machten. Am Hundafoss war es dagegen recht windstill, da er auf der windabgewandten Seite lag. Zeit zum Durchatmen und zur Erholung bevor es in leichter Steigung zum nächsten Wasserfall weiterging.
Schon bald eröffnete sich der Blick auf den wesentlich bekannteren Svartifoss. Um diesen Wasserfall zu erreichen, muss man nach langer aber mäßiger Steigung einen recht steilen Abstieg in Kauf nehmen, denn der Aussichtspunkt liegt direkt unten am Flusslauf. Aber der Abstieg lohnt sich wirklich. Der Wasserfall ist von der reinen Wassermenge her für isländische Verhältnisse eher unspektakulärer Natur. Das, was den Svartifoss so besonders macht, sind die dunklen Basaltsäulen, welche die Kulisse des Wasserfalls bilden. Diese dunklen Basaltsäulen sind dann auch namensgebend für den Wasserfall. Svartifoss heißt übersetzt "Schwarzer Wasserfall".
Fotografisch fand ich die Basaltsäulen, die durch das Wasser regelrecht glänzten, dann auch sehr spannend und waren schließlich mein Hauptmotiv. Mehr seht ihr in der nachfolgenden Galerie!
Auf dem Rückweg zum Parkplatz bogen wir noch auf einen kleinen Nebenweg ab. Da dieser Weg leicht anstieg, hatten wir die Idee, hier etwas höher gelangen zu können, um so einen freien Blick auf den Gletscher zu erhaschen. Das hat tatsächlich geklappt. Vor unseren Augen eröffneten sich die schroffen Bergspitzen der Gletscherwelt. Die vorgelagerten Berge und die hohen Gletscherberge waren einzeln und im Zusammenspiel miteinander mehr als faszinierend. Der Vatnajökull als eher flacher Plateaugletscher zeigt sich an dieser Stelle wirklich wild, ja fast alpin anmutend.
Mit diesen faszinierenden Ausblicken im Gepäck, traten wir nun endgültig den Rückweg zum Parkplatz an. Am Parkplatz angekommen, bot sich noch der eine oder andere schöne Blick auf die Gletscherwelt bevor es auf unserer Reise in den Osten der Insel weiterging.
Unser nächstes Ziel war der Múlagljúfur Canyon. Dazu begaben wir uns wieder auf die Ringstraße und umfuhren den südlichsten Punkt des Vatnajökull. Doch bevor wir dort ankamen, nahmen wir noch ein kleines Zwischenziel mit. Denn am Südrand des Gletschers liegt ein kleiner Ort namens Hof. Dort haben wir kurz zwischengehalten, um die sehr schöne Hofskirkja zu fotografieren. Diese kleine islandtypische Kirche liegt vor den Bergen des Vatnajökulls in einem grasbewachsenen Friedhof eingebettet. Das Gelände, welches durch eine flache Steinmauer begrenzt ist, kann man gut umrunden und die Kirche so aus verschiedenen Perspektiven fotografieren. Wirklich ein schönes Ziel, was sich einem nahe der Ringstraße bietet.
Nach dem Fotografieren haben wir uns gleich noch mit dem einen oder anderen Snack energetisch aufgeladen. Apropos Snack. Gefühlt haben wir im Auto für jeden gefahrenen Kilometer zehn Kartoffelchips gegessen. Aber es ist halt einfach so: Unser Essenshunger war wie unser Motivhunger einfach nur grenzenlos.
Claudia hatte uns schon vorsichtig darauf eingestimmt, dass der heutige Tag der Wandertag unserer Reise sein würde. Und so hatten wir die Stärkung auch dringend nötig, denn unser nächstes Ziel würde uns noch einiges abverlangen.
Nach dem wir das Örtchen Hof verlassen hatten, verließen wir auch die eher windgeschützte Südspitze des Gletschers und fuhren weiter Richtung Osten. Der Sturm nahm schlagartig zu, was man auch bereits auf der Straße merkte. Orkanböen rüttelten kräftig an unserem Auto und im Graben lag ein Motorradfahrer, den es offensichtlich von seinem Gefährt gefegt hatte. Aber Hilfe war bereits da, sodass wir uns entschlossen hatten, nicht anzuhalten.
Wir fuhren weiter zum Parkplatz des Múlagljúfur Canyons und hatten eine kleine Flussquerung zu absolvieren. Aber heute sollte uns das nicht aufhalten. Kurze Zeit später stellten wir das Auto ab und bereits beim Aussteigen merkten wir: Diese Seite des Gletschers ist noch einmal wesentlich rauer. Der Orkan fegte in kräftigen Böen über die wunderbar herbstlich gefärbte Tundra. Auch wenn mir bei diesen Böen ein wenig mulmig war, machten wir uns alle auf den Weg und waren bei weitem nicht die Einzigen, wie wir beim Blick auf den Parkplatz festgestellt hatten.
Der Wanderweg führte mitten durch die kunterbunte Tundravegetation. Was für ein Schauspiel für die Augen!
Meine Gruppe war schon einige Schritte voraus, während ich mich ganz Naturfotograf in den Details der Tundra verlor. Aber die Zeit musste sein, aufholen konnte ich später immer noch.
Gern hätte ich diese Vegetationsform auch noch mit der Drohne aus der Luft fotografiert, aber der Orkan machte das Fliegen unmöglich.
Na gut, weiter ging es. Diese bunte Vegetation sollte mich noch bis zum Ende der Wanderung begleiten. Insofern galt es erstmal wieder Anschluss an die Gruppe herzustellen.
Der war dann ziemlich schnell erreicht und gemeinsam mit Flo nahm ich die Steigung zum Canyon auf mich. Entlang des Wanderweges kamen wir dem Canyon einige Male bereits sehr nahe. Schöne Ausblicke auf das Flusstal inklusive.
Während der Wanderung regnete es fast durchgehend, es stürmte, es war kalt. Island zeigte sich hier von seiner herbstlichsten Seite. Aber wir waren gut vorbereitet. Hatten warme und vor allem wind- und regendichte Kleidung an. So war auch diese Wanderung keine Tortur. Zur Tortur hätte sie nur bei der folgenden Flussquerung werden können, wenn wir auf einen der rutschigen Steinen ausgerutscht wären. Aber Glück gehabt, trockenen Fußes ging es weiter.
Nach der etwas schwierigen Flussquerung gingen wir den Weg weiter hoch zum Ziel unserer Tour. Schon bald zeigten sich erste schöne Ausblicke auf den Múlagljúfur Canyon und den darüber thronenden Berggipfel mir unbekannten Namens.
Weit war es nun nicht mehr zu gehen. Der Weg verengte sich nun immer mehr und wurde zu einem Grat zwischen zwei tief eingeschnittenen Flusstälern. Bergauf gesehen linkerseits präsentierte sich ein schöner kleiner Wasserfall. Bergauf gesehen rechts war der eigentliche Múlagljúfur Canyon zu sehen.
Beeindruckende Ausblicke eröffneten sich uns nun in jede Blickrichtung. Nicht nur mit der Fotokamera wollte ich das festhalten, sondern auch mit dem Handy ein wenig filmen. Gesagt, getan.
Dumm nur, wenn man das Handy auf den Boden ablegt, um wieder die Kamera rauszuholen und dann gedankenverloren noch ein bisschen weiterzugehen.
Etwa 50 Meter weiter stellte ich fest: Mein Handy war weg! Panik stieg in mir auf und ich begann hektisch den Weg zurückzulaufen und zu suchen. Doch auf einem Felsen lag es! Es hätte problemlos von einer der Orkanböen in die Schlucht geweht werden können, aber es lag noch da. Das nennt man wohl Glück!
Apropos Orkanböen. Die waren hier oben auf dem Grat mittlerweile extrem. Phasenweise hatte ich erhebliche Probleme mich überhaupt auf den Beinen zu halten. Da der Wind aber beständig von der gefährlichen Klippe des Canyons weg wehte, hielt sich die Gefahr doch insgesamt in beschaulichen Grenzen. Einen Sturz zur linken Seite hätte man außer ein paar Schürfwunden wohl problemlos überlebt, dachte ich mir. Ein Sturz zur rechten Seite wäre aber das sichere Ende des Lebens gewesen. Daher musste die Windrichtung in den Überlegungen schon eine bedeutende Rolle spielen.
Aber nun genug der Ängste und Abwägungen. Ich weiß doch, dass ihr Bilder sehen wollt. Hier sind sie.
Nach etwa 20 Minuten am Endpunkt der Tour, bei dem es mir beinahe noch meinen Fotorucksack bei einem Objektivwechsel weggeblasen hätte, machten wir uns auf den langsamen Rückweg.
Dramatisches ist zum Glück nichts mehr passiert. Der Regen intensivierte sich zwar zunehmend, störte aber nur unwesentlich.
Der Rückweg war deutlich leichter zu gehen als der Hinweg. Auch die Flussquerung war auf diesem Weg deutlich ungefährlicher. So blieb immer mal wieder Zeit, noch ein paar Motive einzusammeln. Mit zunehmender Nähe zum Ausgangspunkt der Tour rückte der Canyon in immer weitere Ferne, dafür kam das Meer immer näher. Die herbstliche Tundra mit dem dahinter liegenden Meer fotografisch zu vereinen, erschien mir dann noch interessant.
Kurz vor Erreichen des Parkplatzes blieben dann noch ein paar Ausblicke in Richtung des Gletschers, bevor es müde und erschöpft voller Eindrücke zurück ins Auto ging.
Auf dem Rückweg peitschte der Wind weiterhin Schauer um Schauer über's Land, aber immerhin kam auf der Südseite des Gletschers immer mal wieder die Sonne durch. Die Zeit für Regenbögen war angebrochen. Das nachfolgende Foto ist entstanden, als wir während der Rückfahrt kurz angehalten haben. Ich konnte gar nicht so schnell meine Linse abwischen, wie wieder Regentropfen darauf waren. Aber das Erlebnis war trotzdem noch einmal schön.
Die weitere Rückfahrt war recht entspannt. Aufgrund des Sturmes wurde aber die Fahrtrichtung Osten nun von der isländischen Polizei geschlossen. Gut, dass wir schon am Vormittag die Reise in den Osten angetreten hatten.
Auf dem Weg zu unserer Unterkunft hatten wir an unserem Hausberg noch einen Sandsturm zu durchqueren. Unzweifelhaft ein eindrucksvolles Schauspiel. Starke Böen rüttelten am Auto und man hörte die kleinen Sandkörner auf das Auto prasseln. Zum Glück für uns und unser Auto war der Bereich des Sandsturmes sehr schmal, sodass wir ihn rasch wieder verlassen konnten.
Erschöpft kamen wir am frühen Abend in der Unterkunft an. Heute würden wir nichts mehr machen, waren wir uns alle einig, außer es gibt noch Polarlichter zu sehen. Aber der Himmel blieb leider dunkel. Noch.
Bis bald!
Comments